Jagdverein und Jagdgenossenschaft

 

Treibjagden in Ellingstedt

 

 

Vorbemerkungen zu den Treibjagden von Günter Pieper:

 

Ob Treibjagden schon vor der Gründung des Ellingstedter Jagdvereines, also vor 1929, stattgefunden haben, ist schwerlich zu recherchieren. Die auf dem eingefügten Foto vor den Jägern ausgelegte Strecke könnte die einer kleinen Jagd gewesen sein. Das Foto zeigt im Hintergrund das an der Dorfstraße gelegene Wohnhaus der Familie Bauer. Die Jäger sitzen vor dem Gartenzaun an der Dorfstraße - Einmündung Osterende. Leider ist das Aufnahmejahr des Fotos nicht bekannt.

 

 

Vor der Vereinsgründung sollen, so wird berichtet, von Schloss Gottorf aus organisiert, Großwildjagden in der Ellingstedter Feldmark stattgefunden haben. Unterlagen, die auf Treibjagden hinweisen, sind im Verein nicht vorhanden.


Hinweis: Detlef Schmidt beschreibt in seinem Bericht „Über die Jagd in Ellingstedt“ im Abschnitt „Geschichte der Jagd“ die damaligen Verhältnisse.

 

 

Während des 2. Weltkrieges fanden bis kurz vor seiner Beendigung nur kleinräumige Treibjagden statt. An denen haben, wie zu erfahren war, die Schulfreunde Hans Thiesen und Ernst Andresen teilgenommen.

 

Nach Kriegsende mussten alle Jäger ihre Waffen bei den englischen Besatzungssoldaten abgeben.

 

Mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland 1949 und dem damit verbundenen schrittweisen Abzug der Engländer, fanden Anfang der ersten 1950er Jahre Treibjagden in größerer Form statt. Aufzeichnungen über diese gibt es jedoch nicht. In zwei Protokollbüchern, das erste geführt ab 04.02.1960 bis 31.03.1992 sowie einem weiteren bis heute geführten, sind die jährlichen Streckenergebnisse enthalten. Die der Treibjagden werden darin jedoch nicht gesondert aufgeführt.

 

 

 

 

Über die Jagd in Ellingstedt von Detlef Schmidt

 Aus dem Protokollbuch des Jagdvereins

Im Jahre 1929 wurde in Ellingstedt ein Jagdverein gegründet. Er wurde unter dem Namen „Ellingstedter Jagdverein e. V. in Ellingstedt“ ins Vereinsregister eingetragen.

 

Eine Satzung beschrieb den Zweck des Vereins, z. B. die Behörden bei der Durchführung der Gesetze über Jagdpolizei und Wildschutz zu unterstützen, dem Unwesen der Wilddieberei und des Handels mit Wild entgegenzutreten.

 

Es können nur Personen zu Mitgliedern werden, die zur Jagd berechtigt sind und eine Jagdkarte besitzen. Außerdem müssen sie in Ellingstedt wohnen und steuerpflichtig sein sowie das 25. Lebensjahr vollendet haben.

 

Der Mitgliedsbeitrag beträgt 10 RM jährlich. Jedes Mitglied haftet mit 100 RM, die bei der Schleibank in Schleswig zu hinterlegen sind und es verpflichtet sich, einer Haftpflichtversicherung beizutreten. Jedes Jahr im August hat eine Mitgliederversammlung stattzufinden.

 

 

Ellingstedt, 9. April 1929

 

Vorsitzender                Frenz Klinker

Stellv. Vorsitzender       Johannes Plähn

Kassierer               J. Hansen

Schriftführer             A. Nickelsen

 

 

 

 

Die Geschichte der Jagd

 

 Seit 1721 verwaltete der Gottorfer Herzog die großen Jagdgebiete durch Forstbeamte, die für die Einhaltung der Gesetze und Verordnungen zuständig waren. Nach der offiziellen Verkündung der Jagdfreiheit vom 24.09.1850 führte ein sinnloses Bejagen aller Wildarten zur fast völligen Vernichtung des Wildes, weil keine Schonzeiten eingehalten wurden. Auch nach der Angliederung an Preußen 1864 gab es keine Besserung. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden Jagdvereine gegründet, die zum Beispiel festlegten, 4 Jahre kein Rehwild zu jagen. Dadurch konnte sich der Wildbestand erholen.

 

1935 kam das Reichsjagdgesetz zur Geltung. Die Abschussanträge waren dem Kreisjägermeister vorzulegen. Zusatz vom Kreisjägermeister mit Sitz in Idstedtwege:

 

1.     Abschuss des Schalenwildes

Für die nächsten drei Jahre sind alle starken und gut veranlagten Gehörn- und Geweihträger unbedingt zu schonen. Abzuschießen ist nur minderwertiges Wild, wie im Abschussplan bezeichnet. Der Abschuss des weiblichen Schalenwildes ist verstärkt, aber mit der gleichen Auswahl vorzunehmen.

 

2.     Niederwild

Treibjagden mit übertriebener Schützenanzahl ist unwaidmännisch. Die Höchstzahl der Schützen darf allgemein 20 nicht übersteigen. Ein Teil der Feldmark muss zur Hebung des Hasenbestandes alljährlich geschont werden.

 

18. Mai 1935                                                                                               Der Kreisjägermeister

 

 

Für die Jahre 1935 bis 1938 gibt es einen Abschussplan:

 

Die Größe des Reviers wird mit 2200 ha angegeben, davon 25 ha Wald, 1500 ha Feld und 675 ha Wiesen. Aufgeführt wird der Wildbestand, z. B. 74 Stück Rehwild und die Anzahl der zum Abschuss vorgesehenen Tiere.

 

 

Weitere Beispiele von Abschussplänen für Rehwild

 

 

Wildbestand

Tatsächlich geschossen

1943

10 abschussnotwendige Böcke

9 geringe Böcke

39 Stück Rehwild insgesamt

10 abschussnotwendige Böcke

2 gute Böcke

32 Stück Rehwild insgesamt

1965

21 reife Böcke

63 Böcke insgesamt

132 Stück Rehwild insgesamt

10 abschussnotwendige Böcke

3 Böcke

27 Stück Rehwild insgesamt

 

 

 

Ein Jagdpachtvertrag von 1944, also im 2. Weltkrieg

 

 

Heinrich Frahm als Vertreter der Gemeinde und der Jagdgenossenschaft und die

 

Pächter:

Joh. Plähn

Thomas Thomsen

 

Frenz Klinker

Jürgen Niemann

 

Joh. Groth

Heinrich Mauderer

 

 

Jürgen Hensen

 

Die Pachtzeit wurde festgelegt vom 1.8.1944 bis zum 31.3.1954, der Pachtpreis 650 RM zu bezahlen an die Gemeinde.

 

Abgestempelt            Kreisjägermeister

 

                                     17.3.1944                       Idstedtwege

 

 

1960 hatte der Jagdverein Ellingstedt 15 Mitglieder.

 

Erstaunlich ist, dass Frenz Klinker als Gründer 1929 bis zu seinem Tod 1962 Vorsitzender des Jagdvereins war, immerhin 33 Jahre. Das gleiche gilt auch für Joh. Plähn, der 45 Jahre Jagdleiter war. 1970 wurde Herrmann Bauer Vorsitzender des Jagdvereins, die Mitgliederzahl betrug 20 Jäger. Hans Thiesen wurde 1972 Jagdleiter und Ernst Andresen Vorsitzender des Jagdvereines., ab 1994 wurde Erich Gottburg Vorsitzender und Peter Freiberg Jagdleiter.

 

Der Abschussplan von 1972 ergab nach einer Zählung 60 Stück Rehwild, davon wurden 8 männliche und 8 weibliche Tiere zum Abschuss beantragt.

 

Bei der Versammlung der Jagdgenossenschaft am 21.05.1980 wurde Hans Naeve zum Jagdvorsteher gewählt und als sein Stellvertreter Hinrich Niemann. Erich Erichsen wurde Kassenwart, Frenz Frahm und Ernst Hansen Beisitzer.

 

Der Reinertrag aus der Verpachtung sollte an die Grundeigentümer ausgezahlt werden.

 

Die Jagdgenossenschaft verpachtete den Jagdbezirk Ellingstedt mit 2100 ha vom 01.04.1981 bis zum 31.03.1990 an die Herren

Hans Thiesen                                     Erich Gottburg

Ernst Andresen                                  Hermann Bauer

Werner Plähn                                     Peter Freiberg

Hinrich Kühl                                       Werner Gottburg

 

Bei der Versammlung der Jagdgenossenschaft am 06.02.1986 wurde folgender Vorstand gewählt:

1. Vorsitzender                                  Hans Naeve

1. stellv. Vorsitzender                      Günter Tams

Kassenverwalter                               Hans Thomsen

1. Beisitzer                                          Ernst Hansen

2. Beisitzer                                         Gerd Habeck

 

Es wurde beschlossen, den Reinerlös der Pacht für ein gemeinsames Jagdfest zu verwenden.

 

1994 wurde der gesamte Vorstand en bloc einstimmig wiedergewählt.

 

Durch eine Änderung des Landesjagdgesetzes konnten im Ellingstedter Revier 13 anstatt bisher 8 Jagdpächter auftreten. Es wurden die Jäger Dieter Bothmann und Horst Klinker, Jörg Hildebrandt und Andreas Thiesen in das Jagdpachtverhältnis aufgenommen.

 

 

Bericht Eigenjagdbezirk (Jagdgenossenschaft)

Am 25.03.1998 wurde beim Kreis Schleswig-Flensburg ein Eigenjagdbezirk (EJB) von Hermann Bauer angemeldet. Es mussten mindestens 75 ha zusammenhängende Flächen vorhanden sein, nach Überprüfung der Behörde betrug die zusammenhängende Fläche 81,6 ha. Somit hatte sich ein Eigenjagdbezirk gebildet. Das Revier liegt innerhalb des Hegeringes VI (Hegeringleiter Hans Dierks, Jübek) der Kreisgruppe Schleswig. Da der laufende Pachtvertrag noch bis zum 31.03.1999 bestand, blieb die Jagdausübung bis zu diesem Zeitpunkt bestehen. Bei künftigen Verpachtungen durfte die Fläche des Eigenjagdbezirkes nicht mehr berücksichtigt werden.

 

Versammlung vom 30.11.1998 im Gasthof Schnack

Von insgesamt 149 stimmberechtigten Landbesitzern waren 28 anwesend.

 

1998 wurde der gesamte Vorstand für 4 Jahre wiedergewählt: der Jagdvorsteher Hans Naeve, sein 1. Stellvertreter Hans Peter Schröder, der Kassenverwalter Günter Tams, der 1. Beisitzer Gerd Habeck und der 2. Beisitzer Hans Peter Bartels.

 

Zur Beratung stand die Länge des Pachtvertrages, man einigte sich auf 9 Jahre und einer jährlichen Pacht von 3600 DM. Für das in 9 Jahren stattfindende Jagdfest sollte dann das Rehfleisch geliefert werden.

 

Mit dem Ergebnis der Versammlung vom 30.11.1998 war die Jägerschaft nicht einverstanden. Kritisiert wurde die Höhe der Pacht von 3600 DM. So wurde am 12.12.1998 zwischen dem Jagdvorstand Hans Naeve, Hans Peter Schröder sowie Gerd Habeck und

Erich Gottburg                       Dieter Bothmann                  

Peter Freiberg                        Andreas Thiesen                    Wolfgang Naeve

Peter Mauderer                     Hans Thiesen                          Gerd Tiedemann

Werner Gottburg                   Horst Klinker                          Jörg Hildebrandt

ein neuer Pachtvertrag über 18 Jahre geschlossen. Die Höhe der Pacht betrug 3100 DM. Für Wildschaden wurde 500 DM gezahlt.

 

Die verpachtete Fläche wird in einem Lageplan dargestellt.

 

Bei der Versammlung im Jahre 2007 verzichtete Hans Naeve auf eine Wiederwahl als Vorsitzender. Es wurde wie folgt gewählt:

1. Vorsitzender                                  Klaus H. Grunewald

1. stellv. Vorsitzender                      Hans Peter Schröder

Kassenwartin                                    Ellen Tiedemann

1. Beisitzer                                         Henning Habeck

2. Beisitzer                                         Hans Peter Bartels

 

Zum Schluss stellte Hans Naeve seinen Werdegang als Jagdgenossenschaftsvorsteher dar. Er hatte 4 Auszahlungen, 3 Jagdfeste und die Erstellung der ersten offiziellen Mitgliederliste miterlebt. Er lobte die Geselligkeit und die gute Zusammenarbeit mit den Jagdgenossen und der Ellingstedter Jägerschaft.

 

2008 wurde ein Mitglied wegen unkameradschaftlichem Verhalten ausgeschlossen, ein einmaliger Vorgang.

 

Der aktuelle Pachtvertrag beginnt am 01.04.2017 und läuft bis zum 31.03.2026. Der Pachtzins beträgt 1750 Euro. Ausgenommen von der Verpachtung bleibt der Eigenjagdbezirk von Marc Bauer mit 97 ha, so dass die Jagdnutzung auf 1900 ha ausgeübt werden kann.

 

Bei den Vorstandswahlen wurden gewählt:

1. Vorsitzender                                  Klaus H. Grunewald

1. stellv. Vorsitzender                      Heiko Tams

Kassenwartin                                     Ellen Tiedemann

1. Beisitzer                                          Henning Habeck

2. Beisitzer                                          Volker Plähn

 

Die Genossenschaft stellte jährlich 1000 Euro für Wegbefestigung, die Landbesitzer erhalten 5 Euro pro Hektar.  

 

Der Jagdleiter Andreas Thiesen berichtete vom Wildbestand. Rehe waren reichlich und konnten gut verwertet werden. Eine Treibjagd war 2019 geplant.

 

 

Begriffserklärungen:

 

Die Jagdgenossenschaft setzt sich aus den Landbesitzern zusammen, ist Verpächter des Jagdbezirks. Die Vertreter sind nicht zwangsläufig Jäger. Die Jagdgenossenschaft handelt den Pachtvertrag mit dem Jagdverein aus.

 

Der Jagdverein setzt sich aus den Jägern zusammen, wählt den Jagdleiter und vergibt Jagdberechtigungsscheine. Außerdem legt er die jährlichen Abschüsse fest.

 

Jagdberechtigungsschein: Jäger, die nicht Pächter des Jagdbezirkes sind, können einen Jagdberechtigungsschein erhalten. Diese Scheine können vom Jagdverein jederzeit wieder eingezogen werden. Im Pachtvertrag von 2016 sind 9 Jäger Pächter. Die Pächter dürfen 8 unentgeltliche Jagderlaubnisscheine ausgeben.

 

 

Streckenberichte über die Jagd in Ellingstedt

 

Aus den Protokollen des Jagdvereins gehen folgende Streckenberichte hervor:

 

 

1938

1966

1968

1969

Hasen

155

153

216

150

Kaninchen

98

43

56

72

Füchse

11

6

21

12

Wiesel

4

0

17

112

Fasanen

38

79

124

75

Rebhühner

214

65

167

82

Krähen

28

59

48

48

Wildkatzen

8

21

19

21

 

 

 

1975

1976

1980

1985

1990

1992

2000

2003

Rehe

22

25

24

24

30

45

60

46

Fasanen

121

 

1

4

20

10

13

56

Hasen

87

78

22

52

107

80

77

98

Kaninchen

27

505

6

78

315

102

 

5

Füchse

21

25

4

9

18

10

20

7

Rebhühner

172

319

7

15

42

 

6

1

Katzen

 

 

 

 

48

65

64

58

 

 

 

2009

2012

2014

2016

2018

2020

2022

2023

Rehböcke

18

26

25

29

25

22

26

28

Ricken

29

26

25

14

21

19

25

42

Fasanen

60

6

 

 

 

 

 

 

Hasen

118

32

56

14

1

17

10

4

Stockenten

70

10

9

13

12

21

11

32

Krähen

75

45

31

10

12

 

 

11

Füchse

4

10

16

28

12

32

17

17

Marderhunde

 

 

2

 

15

14

6

14

Katzen

60

52

 

23

56

58

 

 

 

 

Der Jagdverein Ellingstedt hat zurzeit (2023) 19 Mitglieder. Vorsitzender ist Wolfgang Naeve, Jagdleiter Andreas Thiesen.

 

Treibjagden sind kaum noch geplant, der Rückgang des Hasenbestandes in den letzten 10 Jahren ist dramatisch. Über die Gründe angesprochen sagte Wolfgang Naeve: „Durch weniger Beweidung und mehr Schnittnutzung im Grünland sind die Junghasen oft ungeschützter, so dass Krähen und anderes Raubwild (z. B. Füchse) leichter an ihre Beute kommen.“ Nach Beobachtung der Jäger steigt die Hasenpopulation wieder an, auch wurden wieder mehr Füchse gezählt. Mögliche Ursachen sind vermehrte Anwendungen von Fruchtfolgen und mehr Ökoflächen.

Durch Wildunfälle sterben jährlich ca. 40 Rehe, die Jäger übernehmen die Tiere zur Verwertung und stellen eine Bescheinigung für die Versicherungen aus.

 

Ein wichtiger Punkt ist die Rehkitzrettung. Pro Einsatz sind 6 bis 12 Personen beteiligt. Mit Hilfe einer Drohne werden die Kitze geortet und dann von den Helfern gesichert abgelegt bis die Flächen gemäht sind.

 

Die Jägerschaft ist bemüht um eine vorsichtige Regulierung des Wildbestandes, Schonung der Natur und Pflege von geeigneten Gebieten.

 

Der Jagdverein Ellingstedt besteht nun fast 100 Jahre. Die prägenden Leute waren am Anfang Frenz Klinker und Johannes Plähn, ihre Nachfolger waren dann Ernst Andresen und Hans Thiesen ab 1970. Heute leiten ihn Wolfgang Naeve und Andreas Thiesen.

 

Die Jagdgenossenschaft wird heute geführt von Klaus Hermann Grunewald.

 

Hans Naeve war von 1980 bis 2007 Jagdvorsteher. Sein besonderes Anliegen war das gute Miteinander mit den Jägern, der Kameradschaft und auch die Gestaltung von Jagdfesten.

 

Jagdgenossenschaft und Jägerschaft sind im Dorf fest verankert.

 

Detlef Schmidt im August 2023

 

 

Treibjagden des Ellingstedter Jagdvereins von Günter Pieper

 

An einer Treibjagd sind Jäger sowie Treiber beteiligt. Ihre Zahl variierte nach der Größe der Triebjagd. Bei Bedarf wurden Gastjäger aus den Nachbardörfern eingeladen.

 

Im Alter von 8 oder 9 Jahren habe ich, mich in direkter Nähe meines Vaters aufhaltend, an Treibjagden teilgenommen. Mit 64 Jahren war dann Schluss.

 

 

Die Treibjagdsaison:

Sie bestand aus vier Treibjagden, zwei kleinen und zwei großen. Die kleinen hatten um 12:00 Uhr und die großen um 8:30 Uhr ihren Beginn. Angefangen wurde mit einer kleinen Jagd, die immer am Buß- und Bettag im Flurbereich der Flaken und angrenzenden Bereichen stattfand.

 

Anfang Dezember sowie wenige Tage vor Weihnachten folgten zwei große Treibjagden. Ihre ersten Treiben begannen stets am Rheider Damm. Die Rheider Au bildete die südliche Begrenzung. Das Treiben gen Westen endete an der Gemeindegrenze zu Hollingstedt, in der Flur Patenko, umgangssprachlich Pottenkuhl. Das erste Treiben gen Osten über die Fluren Bruskern, Reitfenne und Gräbenkuhl endete am Möhlhornweg zwischen der Durchfahrt durch den Margarethenwall und dem Breskernweg, als Bruskernweg besser bekannt.

 

Abgeschlossen wurde die Treibjagdsaison mit einer kleinen Jagd. Sie fand zumeist im Umfeld der Flur Krummwall statt und galt in erster Linie der Bejagung des Fuchses, der im nahen Tannengehölz sowie in den angrenzenden Kratflächen nördlich des Margarethenwalles sein Revier hatte. In manchen Jahren endete sie im Bereich Schellund und Umgebung.

 

Die äußeren Bedingungen:

Am Buß- und Bettag war es zumeist leicht neblig, unangenehm nasskalt. Bei den Jagden kurz vor Weihnachten herrschte oftmals leichter Frost, bei dem sich die Treiber kräftesparender fortbewegen konnten. Hatte es zuvor noch leicht geschneit, war der Hase besser zu erkennen und somit auch leichter aufzutreiben.

 

Zweimal, so erinnere ich mich, wurden große Treibjagden abgebrochen. Im ersten Fall setzte schon bald nach dem Mittag heftiges Schneetreiben ein, so das die Sichtverhältnisse gerade für die Jäger stark eingeschränkt waren. Aus Sicherheitsgründen wurde die Treibjagd abgebrochen.

 

Beim zweiten Mal setzte schon bald nach Jagdbeginn Treibregen ein und alle Jagdbeteiligten waren mittags durchnässt. Die gesundheitliche Gefährdung aller Beteiligten war groß und so sah sich die Jagdleitung nach dem gemeinsamen Mittagessen zum Abbruch der Treibjagd veranlasst.

 

 

Vor Beginn der Treibjagden:

 

Treffpunkt für Jäger und Treiber war vor einer der beiden im Ort befindlichen Gaststätten ob „Zur Eiche" oder „Zur Linde" bzw. dem Nachfolgelokal „Lindenkrog". Vor Beginn jeder Treibjagd fand eine an alle Jagdbeteiligten gerichtete Sicherheitsbelehrung durch den Jagdleiter statt.

 

Anschließend zogen die Jäger per Spielkarten ihren späteren Standplatz ob auf dem roten oder schwarzen Flügel. Auf dem Foto links tragen die Jäger des roten Flügels ein rotes Band an ihrer Mütze, ihrem Hut. War dieses Prozedere abgeschlossen, eröffnete in den 1960er Jahren erstmalig eine Jagdhornbläsergruppe mit einem Beitrag die Treibjagd. Zur Bläsergruppe gehörten auch einige Ellingstedter Jäger, die sich Anfang der 1960er Jahre zusammengefunden hatten. Das Foto rechts wurde wesentlich später aufgenommen und zeigt eine Bläsergruppe während ihres Vortrages.

 

Alsdann wurden Treiber und Jäger, anfänglich per Pferdefuhrwerk, später mit Trecker und Anhänger, zum Ausgangspunkt des ersten Treibens gefahren.

 

Die Jäger nahmen ihren zugewiesenen Standplatz ein. Waren alle positioniert, machte dies einer von ihnen allen Jagdteilnehmern mit dem Blasen seines Jagdhornes bekannt. Das Treiben konnte beginnen.

 

 

Das Treiben:

 

Mit großem Getöse und den Rufen „Has, Has, Has“ setzte sich die vom Obertreiber aufgestellte Treiberkette in Bewegung. Und lief der erste Hase in das Treiben, wurde es noch lauter. Nun das Warten auf den ersten Schuss. Mitunter waren noch weitere nötig!

 

Sichtete ein Treiber einen vor ihm in einer Sasse liegenden Hasen, so meldete er es seinen Nebenleuten. Sie blieben stehen. Der Treiber näherte sich dem Hasen und warf mit seinem Treiberstock nach ihm. War der Hase aufgesprungen, wurde er mit lautem Rufen „Has, Has, Has“ begleitet. Lief der Hase nicht ins Treiben, sondern durch die Treiberkette nach hinten heraus, handelten sich die Treiber, bei denen er durchgebrochen war, den Spot ihrer Nebenleute ein.

 

Am Ende des Treibens sammelten Treiber und Jäger die erlegte Strecke ein und legten sie auf dem vorgesehenen Transportfahrzeug ab.

 

 

Die mittägliche Jagdpause:

 

Bei den großen Treibjagden gab es mittags eine ca. 30-minütige Jagdpause. Alle Jagdteilnehmer stärkten sich mit dem mitgenommenen „Hasenbrot", wie es mein Vater immer bezeichnete. Damit gemeint waren einige belegte Brote.

 

Erst Jahre später gab es zur Mittagszeit eine von einer der beiden Gastwirtschaften angelieferte wärmende Suppe. Ich erinnere mich noch daran, dass diese auf dem Gehöft bzw. auf der Lohdiele des Jagdkollegen Hans Andresen (heute Familie Sven Detjens, Bockhöft) verzehrt wurde. Später fand dies auf dem einige hundert Meter weiter westwärts gelegenen Gehöft des damaligen Jagdleiters statt.

 

 

Gesprächsbedarf vor oder nach einem Treiben:

 

Das Foto zeigt rechtsstehend das Jagdvereinsmitglied JOHANNES GROTH, der mit einem Fingerzeig mit seinem Jagdkameraden, einem Gastjäger aus Hollingstedt, etwas zu besprechen hat. Leider ist das Datum der Aufnahme nicht bekannt (Ende der 1970er Jahre?). Anzumerken ist, dass J. Groth im Sommer 1990 seinen 100 Geburtstag feierte, u.a. auch im Kreise seiner Jagdkameraden, worüber noch einige von ihnen zu berichten wissen. Wenige Monate später verstarb Johannes Groth.

 

 

Der rechtsstehende Jäger ist das Vereinsmitglied HANS ANDRESEN, der neben ihm stehende Jäger ist der Gastjäger Heinrich Buchholz. Nicht bekannt ist, wann das Foto entstanden ist.

 In der Niederschrift über die Mitglieder-versammlung des Jagdvereines am 21.03.1988 heißt es: „Hans Andresen scheidet als aktives Mitglied auf eigenen Wunsch aus. Er war 37 Jahre Jäger“. Hans Andresen, Jahrgang 1901, verstarb am 27.12.1994.

 

Eine Anmerkung am Rande:

 

In einem Gespräch mit seiner Tochter Ella erinnerte sich diese an folgende Begebenheit: Ihr Vater nahm oft als Gastjäger an Treibjagden in der Südermarsch (südlich von Husum gelegen) teil. Dort gab es zu dieser Zeit, im Gegensatz zu Ellingstedt, eine sehr große Hasenpopulation. Als nun Gastjäger aus der Südermarsch an einer Treibjagd in Ellingstedt teilnahmen, hatten sie einen Rammler, einen männlichen Hasen, mitgebracht, der in der Nähe des Gehöftes von Hans Andresen in der Hoffnung ausgesetzt wurde, dass er zukünftig in Ellingstedt zur Bestandsverbesserung beitragen würde.

 

Ende der Treibjagden:

 

Mit dem Einsetzen der Dunkelheit endeten die Treibjagden und die Strecke wurde über viele Jahre zur Stellmacherei von Julius Hoffmann gefahren und dort präsentiert. Bei einer kleinen Treibjagd waren es oft 25 - 30 und bei einer großen gar 80 und mehr Hasen. Nach Bekanntgabe der Strecke durch den Jagdleiter konnten sich Treiber und Jäger einen Hasen oder ein Kaninchen aussuchen und mitnehmen.

 

Gerade bei den großen Treibjagden nutzten auch Ellingstedter Bürger die Gelegenheit gegen Bezahlung einen *Hasen, ein Kaninchen zu erwerben. Nahmen Treiber keinen Hasen, kein Kaninchen erhielten sie bei einer kleinen Jagd anfänglich 2,50 DM, später wohl 3 DM. Bei der großen Jagd waren es, wie ich mich erinnere 5 und später 6 oder 7 DM.

Das übrig gebliebene Wild wurde an einen Schleswiger Wildfleischhändler verkauft, der es Tage später bei dem passionierten Jäger Julius Hoffmann abholte.

 

*Bei der Jagd kurz vor Weihnachten war der Erwerb eines Hasen sehr begehrt. In den ersten       Nachkriegsjahren wurde er bei vielen Familien als Weihnachtsbraten verzehrt. Hatte man keinen Hasen abbekommen, waren auch ein oder gar zwei Kaninchen ein guter Ersatz.      

                                                                     

 

Das Schüsseltreiben:  

 

Zum Abschluss einer Treibjagd fand abends im Gasthof „Zur Eiche" bzw. „Zur Linde", später in der nachfolge Schankwirtschaft von Inge und Uwe Schnack im „Lindenkrog“ das Schüsseltreiben statt. An diesem nahmen Jäger, aber auch Treiber teil. Heute berichten Teilnehmer noch gerne von dem guten Miteinander in dieser Runde.

 

Nach der Proklamation des **„Jagdkönigs“ wurde gemeinsam gegessen, so mancher Pott „Muck", so manches Glas Grog oder gefüllt mit einem anderen alkoholischen Getränk bei „Jägerlatein" und Kartenspielen wie Skat, Doppelkopf und Bruus geleert. Es war ein geselliger Abend, der oft erst weit nach Mitternacht endete.  

 

**Jagdkönig“ war der Jäger, der die meisten Abschüsse erzielt hatte. Hatte jedoch einer der Jäger einen Fuchs, noch besser zwei erlegt, war er bei dieser Treibjagd der „Jagdkönig". 

 

 

Anmerkungen/Auswirkungen:

Einiges hat sich in den Jahren geändert:

 

·       Durch die Flurbereinigung gab es im Revier Veränderungen durch Knick-und Wallentfernungen oder Verschiebungen sowie Straßenum- und Neuanlegungen. Einige Treiben mussten neugestaltet werden.

 

·       Mit der Einrichtung eines Eigenjagdbezirkes am 01.04.1999 verkleinerte sich die bisher vom Jagdverein gepachtete Fläche um ca. 90 ha. Das hatte Auswirkungen auf die Treiben. Einige fielen fortan weg, andere mussten neu gestaltet werden. Das Streckenergebnis verringerte sich. Auch andere Gründe haben über die Jahre zur Verringerung beigetragen. So sah man sich im Jagdverein veranlasst, Ende 2022 nur noch eine Treibjagd durchzuführen. Wie vom derzeitigen Jagdleiter Andreas Thiesen zu erfahren war, gehörten nur vier Hasen zum Streckenergebnis. Weitere Gründe, die zur Verringerung des Streckenergebnisses beitragen, werden im weiteren Verlauf noch beschrieben und sind mit einem roten Stern gekennzeichnet.

 

·       Die Gaststätte „Zur Eiche" gibt es seit über 35 Jahren nicht mehr. Das Treffen zum Jagdbeginn sowie das beschriebene Schüsseltreiben zum Jagdausklang fand nur noch in der Gaststätte „Zur Linde" bzw. ab 1967 bis 2002 im „Lindenkrog“ statt.

 

·       Nahmen nach Ende des zweiten Weltkrieges über viele Jahre nur Männer als Jäger und Treiber an Treibjagden teil, so hat sich dieses Bild, wie in so vielen Bereichen unseres gesellschaftlichen Lebens, in den letzten 30 Jahren gewandelt. Heute sind auch Jägerinnen und Treiberinnen Jagdbeteiligte.

 

·       Seit ca. 20 Jahren treffen sich Jäger/innen und Treiber/innen vor Jagdbeginn an der Mehrzweckhalle.  Nach der Sicherheitsbelehrung werden inzwischen beide Teilnehmergruppen mit einem Traktor und angehängtem Viehwagen oder einem kleinen LKW-Viehtransporter zu den Treiben gefahren.

 

·       Nach Ende der Treibjagd wird die Strecke im Wäldchen neben der Mehrzweckhalle ausgelegt. Fackeln werden angezündet und der Jagdleiter verkündet das Streckenergebnis. Umrahmt wird die Veranstaltung mit Beiträgen einer Jagdhornbläsergruppe.

 

·       Von den Jägern in Eigenregie organisiert findet das Schüsseltreiben nunmehr im Jugendraum statt.         

 

·       Die Gründe für das sich ständig verringernde Streckenergebnis sind vielfältig. So haben sich u.a. in der Landwirtschaft Arbeitsabläufe verändert wie z.B. die frühe            Ausbringung der Gülle mit großen Fahrzeugen und die schon bald darauf folgenden jahreszeitlich sehr frühen Grasschnitte. Die dabei zum Einsatz kommenden überaus breiten Bearbeitungsmaschinen tragen ebenfalls dazu bei. Nicht zu vergessen sind die in der Landwirtschaft verwendeten Spritzmittel, auch wenn sie heute geringer dosiert eingesetzt werden.

 

Auch das Beuteverhalten vieler Tiere hat sich über die Jahre verändert. Zwei Ellingstedter Jäger berichten von ihren Beobachtungen:

·       Im ersten Beispiel wird der Uhu genannt, wenn er mit Ausdauer eine Häsin beim Säugen ihres Wurfes beobachtet. Verlässt sie danach ihren Wurf, schlägt der Uhu zu und holt sich überfallartig einen der Junghasen als Beute.

 

·       Im anderen Fall wird über das Verhalten des Graureihers berichtet, wenn dieser über die Wiesen stelzt und sich nicht nur Mäuse, Insekten und Würmer sondern auch kleine Junghasen als Beute holt.

 

·       Seit einigen Jahren taucht im Ellingstedter Jagdrevier auch der Marderhund auf, der sich jedoch nicht nur auf Hasen als seine Beute „spezialisiert“ hat.

 

Dies sind nur einige Beispiele von vielen, vielen weiteren Erklärungsmöglichkeiten, die die starke Gefährdung des Hasenbestandes beschreiben und somit die drastische Reduzierung der Streckenergebnisse erklären. In dem Bericht „Über die Jagd in Ellingstedt“ von Detlef Schmidt ist eine Aufstellung über die Entwicklung der Streckenergebnisse von 1938 bis 2023 enthalten. Mit Blick auf den Hasen ist der Einbruch spätestens ab 2016 stark auffällig.

 

 

Auskünfte, Informationen von nachfolgend genannten Personen sind in diesem Bericht enthalten:

 

Hans Thiesen war seit seiner Jägerausbildung 1962 Mitglied im Jagdverein. Auf eigenen Wunsch beendete er am 1. April 2015 seine Mitgliedschaft.

 

Erich Gottburg ist seit seiner Jägerausbildung 1962 Mitglied im Jagdverein. Eine Zeitlang gehörte er der Jagdhornbläsergruppe an. Nach nunmehr über 60 Jahren Vereinszugehörigkeit ist Erich das älteste Vereinsmitglied. Seine Erfahrungen, so ist aus dem Kollegenkreis zu hören, werden sehr geschätzt.

 

Andreas Thiesen ist aktives Mitglied im Jagdverein und zurzeit Jagdleiter.

 

Hans Peter Otzen ist aktives Mitglied im Jagdverein.

 

Ella Detjens ist die Tochter von Hans Andresen, der von 1950 bis 1987 Mitglied im Jagdverein war.

 

 Im Oktober 2023

 

 Günter Pieper